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Das heimische Vergaberecht unter der Lupe

3 Männer reden am Tisch

Mag. Florian Schnurer, LL.M.

Digitalisierung

schnurer@feei.at
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Chancen „vergeben“ – öffentliche Vergaben in Österreich
Öffentliche Aufträge bieten durch ihr großes finanzielles Volumen einen wichtigen Hebel für Innovation und Wertschöpfung in Österreich. Das gilt insbesondere für die Hightech-Branche Elektro- und Elektronikindustrie. Allein 2019 vergaben rund 7700 öffentliche Stellen Aufträge im Wert von 46 Milliarden Euro. Das sind 14 Prozent der nationalen Wertschöpfung.

Speziell forschungsintensive Unternehmen können ihre Produkte oft erst über einen staatlichen Referenzkunden am Markt und damit in den Export bringen. Umso entscheidender ist daher die Ausgestaltung des Vergaberechts als Rechtsgrundlage von öffentlichen Beschaffungen. Gleichzeitig ist die Vergabe von öffentlichen Aufträgen ein wirkmächtiger Hebel, um CO2-Emissionen zu reduzieren und so einen wichtigen Beitrag zur Klimaneutralität zu leisten. Dafür benötigt es jedoch die die stärkere Gewichtung von preisfremden Qualitätskriterien.

Studie zeigt hohe Gewichtung des Preises bei öffentlichen Vergaben in Österreich
Im Jahr 2016 gab der FEEI deshalb gemeinsam mit dem Fachverband der Metalltechnischen Industrie (FMTI) und dem WIFO erstmals eine Studie zu diesem Thema heraus. Diese ergibt, dass sich die Leitkundenfunktion der öffentlichen Hand bisher zu wenig entfalten kann. Das Bestbieterprinzip – also die Vergabe an das qualitativ beste Angebot – wird im österreichischen Vergaberecht zu wenig berücksichtigt. Ein zentrales Anliegen des FEEI ist daher die Stärkung des Bestbieterprinzips.

Die bessere Berücksichtigung preisfremder Vergabekriterien sowie die Definition von Qualitätsindikatoren sind dafür notwendige Instrumente.
Einige Inhalte der Studie finden Sie im Folgenden, der Folder und die gesamte Studie sowie Informationen zu Studiendesign und Glossar stehen außerdem zum Download bereit.


Preisgewichtung in der öffentlichen Vergabe im EU-Vergleich

Das Studiendesign im Überblick
Daten:

  • Auftragsvergaben im Oberschwellenbereich, wie sie im offiziellen Journal der Europäischen Union bekanntgegeben werden.
  • Eigene Klassifizierung der gemeldeten Ausschreibungskriterien; sechs Gruppen:
      • Preis (Gesamtpreis, Rabatt, Betriebskosten)
      • Qualität (Funktionalität, Design, Produkt- und Dienstleistungseigenschaften)
      • Lieferung (Pönale, Abrufbereitschaft, Zeit/Dauer)
      • Service (Wartung, Reparatur, Ersatzteile)
      • Garantie (Garantien, Garantieverlängerung)
      • Nachhaltigkeit (Umwelt- und Sozialkriterien, Lehrlingsausbildung)
  • Vergleichsländer: Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Niederlande, Schweden, Finnland, Polen und Slowenien

Die Ergebnisse zusammengefasst
Das Bestbieterprinzip in Österreich
Allein in den fünf Jahren von 2009 bis 2014 wurden in Österreich rund 20.000 Ausschreibungen im Oberschwellenbereich (= Güter und Dienstleistungen über einem Wert von 162.000 Euro sowie Baudienstleistungen über einem Wert von 6,2 Mio. Euro) vergeben. Das Bestbieterprinzip – also eine Vergabe unter Berücksichtigung von zum Beispiel Qualität und Lebenszykluskosten – wurde jedoch nur bei etwas mehr als der Hälfte angewandt.

Das Problem dabei? Die Bestbieterverfahren sind in Österreich meist reine Billigstbieterverfahren mit Feigenblattkriterium. So zeigt die WIFO Studie deutlich auf, dass in kaum einem anderen EU-Land die Nicht-Preis-Kriterien so gering gewichtet werden wie in Österreich (lediglich Polen und Slowenien schnitten hier schlechter ab). Es existiert in Österreich also eine Skepsis gegenüber preisfremden Kriterien bei Ausschreibungen.

Sowohl die Studienautoren des WIFO als auch wir als FEEI erkennen die Ursachen in gänzlich fehlendem Bewusstsein, mangelndem Mut und ungenügenden Kompetenzen der Ausschreibenden, um Projekte nach einem „echten“ und dann auch komplexen Bestbieterverfahren auszuschreiben und dadurch Wertschöpfung in Österreich zu generieren. Oft spielt auch das Problem eventuell EU-Wettbewerbsrecht zu verletzen, eine Rolle.

Obwohl die Gesetze und Rahmenbedingungen bereits existieren, wird nicht der komplette Spielraum genutzt – zu dieser Erkenntnis kommt auch die WIFO Studie in ihren Ergebnissen.

Vergabekriterien in Österreich – welche kommen am häufigsten zum Einsatz?
Da sich öffentliche Vergaben auf sehr heterogene Güter und Leistungen beziehen, finden in der Praxis viele verschiedene Vergabekriterien Anwendung. In Österreich allein wurden in den untersuchten Jahren über 2.100 Kriterien herangezogen.

Für die Studie des WIFO erfolgt die Zuteilung in Preis- und Nicht-Preis (oder preisfremde) Kriterien. Die preisfremden Kriterien umfassen zum Beispiel:

  • Qualität (Funktionalität, Design etc.)
  • Lieferung (Pönale, Abrufbereitschaft, Zeit/Dauer)
  • Service (Wartung, Reparatur, Ersatzteile)
  • Garantie oder Nachhaltigkeit (Umweltkriterien, Sozialkriterien, Lehrlingsausbildung)
  • Preis (Gesamtpreis, Rabatt, Betriebskosten)

Die Häufigkeit von Vergabekriterien ist zudem von den nachgefragten Produkten und Leistungen stark abhängig.

Die in Abbildung 3 dargestellten Werte zeigen anhand von sechs Kriteriengruppen die Häufigkeit – ohne Gewichtung –, in der unterschiedliche Vergabekriterien herangezogen werden. Über alle Produktgruppen hinweg zeigt sich, dass neben dem Preis primär Qualität (65 Prozent), gefolgt von Garantie (23 Prozent) und Nachhaltigkeit (18 Prozent) angewandt werden. Service und Lieferungsanforderungen sind in weniger als 10 Prozent der Bestbietervergaben zu finden.

Die Verwendung preisfremder Kriterien ist in den Sektoren des FEEI im österreichischen Durchschnitt aller Sektoren, mit einer Dominanz von Qualitätskriterien (61 Prozent) und Garantiekriterien (30 Prozent). Während Nachhaltigkeitsindikatoren weniger stark betont werden, sind in den FEEI-relevanten Vergaben Servicekriterien von überdurchschnittlicher Bedeutung (11 Prozent).

Vergabepraxis im EU-Vergleich
Aufgrund des starken Einflusses von EU-Richtlinien und Verordnungen im Vergaberecht ist ein Vergleich mit anderen EU-Ländern aufschlussreich. Zentrale Erkenntnis dabei ist: In keinem Land werden preisfremde Kriterien in Bestbieterverfahren so häufig so gering gewichtet wie in Österreich.

Im Ländervergleich kristallisieren sich grob drei Gruppen heraus: Die Ländergruppe Frankreich, Großbritannien und Niederlande machen am häufigsten vom Bestbieterprinzip Gebrauch (75 bis 97 Prozent). Österreich liegt mit Finnland, Schweden, Deutschland und Italien im Mittelfeld (54 bis 60 Prozent). Am (geringsten oder schwächsten) ist die Bestbietervergabe in den beiden betrachteten Mitgliedsstaaten Slowenien und Polen. In Polen beträgt der Anteil von Bestbietervergaben nur rund 15 Prozent.

Bei der detaillierteren Betrachtung zeigen sich weitere Länderunterschiede. Markant ist besonders die Position Österreichs, was die Gewichtung preisfremder Kriterien betrifft: Wie bereits dargestellt, übersteigt deren Gewicht in fast einem Fünftel der Bestbieterausschreibungen nicht einmal 5 Prozent. Eine derart geringe Gewichtung preisfremder Kriterien in Bestbieterverfahren wird von keinem anderen untersuchten Land erreicht. Mit 6,4 bzw. 5,9 Prozent liegen Slowenien und Polen in diesem Punkt deutlich hinter Österreich zurück. Umgekehrt gibt es in den meisten anderen untersuchten Ländern kaum Bestbieterausschreibungen mit derart geringer Gewichtung der Nicht-Preis- Kriterien. Auch Ausschreibungen mit einem Gewicht der Nicht-Preis- Kriterien unter 10 bzw. 20 Prozent sind in Österreich mit rund 35 bzw. 44 Prozent der Fälle überproportional häufig im Vergleich zu den meisten anderen untersuchten Ländern zu finden.

 

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